Wir können nicht anders oder Beiläufiges zum konkret-Schisma

– Wer sich als Linker begreift, der strebt danach, die unerträglichen Weltverhältnisse zu beseitigen. Ist das geschehen, strebt er in der Folge danach, eine Gesellschaft freier Menschen ohne Ausbeutung zu gestalten. Damit, so darf man vermuten, ist der Linke in seinem Leben eigentlich genug beschäftigt.

– Schwierig wird es, wenn sich die Weltverhältnisse als ebenso zählebig wie brutal erweisen und die Menschen, die in ihnen leben müssen, auf deren Veränderung trotzdem keinen Wert zu legen scheinen. Erfahrungsgemäß nutzen viele Menschen, denen das Linkssein zu anstrengend oder zu wenig lukrativ ist, die nächstbeste Gelegenheit und verabschieden sich von ihrem Linkssein.

– Wer aber weiter als Linker sich begreifen möchte, vertreibt sich die Zeit bis zur Revolution auf mancherlei Art: Er analysiert die Weltverhältnisse, um eine Haltung zu ihnen einnehmen zu können oder er befasst sich mit dem herrschenden Denken und der Frage, inwiefern es auch das Denken der Herrschenden ist. Oft lohnt es sich auch, sich darüber lustig zu machen: „Gremlizas Express“, eine der Rubriken in konkret, die am längsten existierte und erst mit dem Tod des Herausgebers beendet wurde, hätte allenfalls ein Jahr lang geschrieben werden müssen, um den Nachweis zu erbringen, dass die Sprache der Herrschenden eine ist, die die Regeln der Sprache nicht beherrscht. Trotzdem vermittelte sie zuverlässig eine Art fröhliche Aufklärung.

– Wer zu den herrschenden Weltverhältnissen eine Haltung einnehmen muss, sollte damit rechnen, auch einmal falsch zu liegen. Das ist insbesondere bei Kriegen der Fall, bei denen es, wenn sie innerhalb der herrschenden Weltverhältnisse ausgefochten werden, Linken vor allem daran gelegen sein sollte, dass sie so schnell wie möglich beendet werden.

– Denn auch das ist eine Aufgabe, die Linke in den derzeit herrschenden Weltverhältnissen offenbar übernehmen müssen: an grundlegende Regeln des menschlichen Zusammenlebens zu erinnern, dass man, zum Beispiel, Menschen nicht im Meer verrecken lässt, dass man sie nicht ohne Not den Gefahren einer Pandemie aussetzt, oder dass Krieg nicht etwas ist, bei dem irgendwelche Sachen andere Sachen zerstören, sondern Menschen verbrannt, zerfetzt oder verstümmelt werden.

– Um auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu sprechen zu kommen: Wer sich da blamiert hat, ist nicht die Linke und auch nicht konkret. Vielmehr haben sich der Liebling und Sponsor der europäischen Rechten und Sozialdemokraten und der Liebling einer großen Koalition aus FDP, III. Weg und Bild-Zeitung als schlicht unfähig erwiesen, einen mehr als 8 Jahre dauernden Konflikt anders als militärisch zu lösen. Bzw., wie sich abzeichnet: nicht einmal so lösen zu können. Was ist gegen diese traurige Bestätigung der Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ ein Titelbild, das innerhalb einer Woche veraltete?

– Ob man „so dermaßen danebengelegen“ habe, wird sich erst nach dem (hoffentlich baldigen) Ende des Krieges erweisen. Darüber kann man diskutieren, was aber nicht mehr geht, wenn man mit gleichsam protestantischem Gestus verkündet, man könne nun, da „eine rote Linie überschritten“ sei, nicht mehr anders.

– Was die Rolle Deutschlands anbelangt, so erkennen die Kontrastmittler zwar, dass dieses Land innerhalb des „Westens“ (eine „Wertegemeinschaft“ einander belauernder Skorpione) eine gewisse eigene Rolle als „der treueste Fürsprecher Putins“ spielen könnte, aber auch Großbritannien, Ungarn oder die Türkei spielen ihre ganz eigenen Rollen in diesem Krieg. Deswegen zu meinen, man schwimme mit einer „Pro-Putin-Haltung“ im völkischen Mainstream mit, ist ebenso falsch wie böswillig.

– Überhaupt sind Kriege keine Fußballspiele. Pro- und Contra-Antagonismen stehen jeder ernsthaften Analyse im Wege.

– Jede Abweichung von konkret führte stets nach rechts: Achse des Guten, Bahamas, Compact. Es ist zu vermuten, dass auch die Kontrastmittler nur diese Richtung kennen. Das Alphabet hat noch viele Buchstaben.

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4 Kommentare zu „Wir können nicht anders oder Beiläufiges zum konkret-Schisma

  1. Eine vorzügliche Analyse, ich danke dafür. Möge sie Verbreitung finden! – Nur ein kleiner Korrekturhinweis: Im zweiten Absatz, letzte Zeile, müßte es heißen: „von ihrem Linkssein“.

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    1. Lieber Herr Sokolowsky,
      vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihren Hinweis auf meinen unverzeihlichen Klops, den ich ebenso stillschweigend beseitigt habe wie andere Dilettantismen. Das alles geriet um so peinigender, als ich auf Reisen war und mit dem Umstand leben musste, am mitgeführten Gerät keine Veränderungen am Text vornehmen zu können, mich also dem „Technofeudalismus“ (L. Quadfasel, jungle World, 25.5.22) unterwerfen musste und am liebsten im Zugsitz verschwunden wäre. Da aber der „Technofeudalismus“ eh „nur als Metapher halbwegs“ funktioniert (Quadfasel, a.a.O.), konnte ich die Dinge mit etwas Verzögerung doch noch in Ordnung bringen.
      Es grüßt herzlich
      Thomas Schweighäuser

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  2. RING RING RING … RING RING RING … RING RING RING … RING RING RING …

    *Anrufbeantworter* Guten Tag, Sie sind mit Thomas ex Gotha verbunden. Zurzeit bin ich nicht zu erreichen. Bitte rufen sie zu einem anderen Zeitpunkt wieder an oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton. *piep*

    Sehr geehrter Herr ex Gotha,

    Herr Hessenhenker weigert sich immer noch, auf seinem Blog zu schreiben. Außerdem reagiert er immer noch nicht auf meine E-Mails, die er dort beantworten bzw. veröffentlichen soll. Herr Aristobulus tut das ebenso wenig.

    Gute Christenmenschen sind beide wohl nicht.
    Aber dann feiern sie alle Weihnachten.

    Bitte kontaktiere Hessenhenker per Mail und frage mal nach, warum er nicht mehr schreibt und warum man nicht kommentieren kann. Noch vor ein paar Jahren schrieb er öfters, manchmal sogar täglich neue Artikel. Mit dem Beenden der Kommentarfunktion verließen die Kommentatoren seinen Blog.

    Ich bin es Leid, dass Hessenhenker nicht reagiert und dass Aristobulus mich verflucht hat oder zumindest dafür gesorgt hat, aber dies nicht zugibt und auch das Alles nicht rückgängig macht.

    Ich habe es satt, immer den Götterboten Hermes zu spielen, der anonyme Mails an den Gott Hephaistos (beginnt wie Hessenhenker mit HE) und an den Gott Ares (beginnt wie Aristobulus mit AR) zu senden.

    Hmm, mir fällt ein, Hessenhenker beginnt wie Hades mit H und Hades ist doch der Gott, dessen Freundin Persephone kein Visum für die Unterwelt …ähm …8 Monate nicht in der Unterwelt sein darf.

    Göttervater Zeus alias anti3anti habe ich auch anonym angeschrieben. Es tut sich ebenfalls nichts. Die ZWOELF Kommentatoren von damals sind in alle Winde verstreut. Weg vom Olymp leben sie in ihren eigenen Blogs, Homepages oder treiben sich sonst wo herum. Früher war es schöner.

    Ich will was beim Hessenhenker lesen und zwar bald.

    Gruß vom Götterboten Hermes

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