Von seinem Vater berichtet Andreas Frege, dass der sich „schon früh für Politik“ interessiert und daher „unbeantwortete Geburtstagsgrüße an Kaiser Wilhelm II ins Exil“ (Campino: Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde, S.165) gerichtet habe, was seine „kritische Haltung zum Nationalsozialismus“ belege. Die hatte dann Konsequenzen: „Er wusste, wenn er sich dem politisch neutralen Militär anschließen würde, würden sie ihn in Ruhe lassen. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte“, denn das Militär entpuppte sich schnell als gar nicht so politisch neutral, aber wer konnte das damals ahnen? Trotzdem konnte der Sohn sich später nicht ersparen, dem Vater eine kritische Frage nicht zu ersparen: „Wie konnte er eigentlich damit leben, als Soldat für ein verbrecherisches Regime gekämpft zu haben? Nicht für Hitler sei er im Krieg gewesen, sagte mein Vater dann, sondern für seine Eltern und Vorfahren und nicht zuletzt, weil er einen Soldateneid geschworen hatte“ (ibid., S.166), der zwar auf den Führer geschworen wurde, aber diese Bemerkung ersparte der Sohnemann dem Vater. Immerhin, ihm kamen Zweifel: „Ich bezweifle bis heute, dass, wer als Soldat in einen solchen Krieg gerät“ (und wer weiß nicht, wie die Soldaten der Wehrmacht dorthin geraten waren, wo sie für nichts konnten?), „darin sauber bleiben kann. Wie ich mich an seiner Stelle verhalten hätte, darüber wage ich nicht zu spekulieren.“ (ibid., S.167)
„Hope Street“ erschien 2020 und handelt hauptsächlich von Freges Begeisterung für den FC Liverpool, seine Reisen zu Spielen des Vereins und was er dabei erlebt und getrunken hat. Die familienbiographischen Exkurse verleihen dem Genre des Rumreiseberichts ein wenig Tiefgang, doch zwei Jahre später verwirft „Campino“ seine pazifistischen Skrupel, denn der Russe, über den Vater Frege „meistens zur Weihnachtszeit“ (ibid., S.171) erzählte, ist wieder, wenn auch noch nicht bei Stalingrad, auf den Plan getreten: „Ich persönlich habe den Kriegsdienst 1983 verweigert. Das würde ich heute, unter diesen Umständen, wenn ich jetzt meine Einberufung bekäme, wahrscheinlich nicht mehr tun“, verriet er im Mai dpa und benannte auch den Grund: „Wir können es uns nicht leisten, völlig wehrlos gegenüber Despoten zu sein, wie Putin einer ist, der alte Machtfantasien auslebt. So einen Mann kann man nur stoppen, wenn er auch Respekt vor der Gegenseite hat.“ Der Respekt Putins vor der Gegenseite wird nicht geringer dadurch werden, dass die „Toten Hosen“ angesichts ihres fortgeschrittenen Alters allenfalls bei der Truppenbetreuung zum Einsatz kommen werden, was der verspäteten Meldung des Schützen Campino zum Dienst aber nichts von ihrer Schleimigkeit nimmt.
Was aber Frege besonders betrübt, dass fürs Aufrüsten mal wieder die Falschen büßen müssen: „Alle diese Gelder, die wir in Zukunft für Rüstung ausgeben werden, könnten wir verdammt nochmal für unser Sozialsystem, Kitas, Schulen, öffentliche Infrastruktur und nicht zuletzt den Kampf gegen den Klimawandel gebrauchen.“ Tja, nun ist es weg, das schöne Geld, und man muss schon Anhänger der Grünen sein, um allen Ernstes zu glauben, die 100 Mrd wären auch rausgehauen worden, wenn es nicht darum gegangen wäre, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas zu machen.
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