My definition of cancel culture

Mit dem Lebensmenschen war ich vor einigen Wochen in der Oper, im MiR. Gespielt wurde „Don Pasquale“, Donizettis komisches Drama über das Problem, dass das letzte Hemd keine Taschen hat und kein Bourgeois den zusammengerafften Reichtum ins Himmelreich mitnehmen kann, das ihm die Chefideologen des Christenthums versprechen. Don Pasquale möchte das Problem dadurch beheben, daß er, mit 70, auf den letzten Lebensmetern noch heiratet und Erben zeugt, doch scheitert er mit diesem Plan.

Die Dramaturgin aber, die die Fabel und die Schwerpunkte der Inszenierung erklärte, versprach, dass auch das brandaktuelle Thema „cancel culture“ behandelt werde, aber so sehr ich mich auch bemühte, ich sah keine Hinweise auf verbotene Winnetous oder rausgeschmissene TERFs. Ich nehme das als Bestätigung meiner These, dass die ganze cancel- eine vor allem eingebildete culture ist.

Am selben Sonntag sendete die „Achse der Guten“ einen Podcast „Willkommen im Cancel Culture Club“, der davon handelte, dass „Menschen (…) aufgrund Ihrer Meinungen gemobbt, von Veranstaltungen ausgeladen, niedergebrüllt und sogar körperlich angegriffen“ werden. Moderiert wurde die Sendung von Gerd Buurmann, der auf seinem Blog „Tapfer im Nirgendwo“ gerne unliebsame Kommentare löscht (ich weiß, wovon ich spreche), sich aber nun mit seinen Mitdiskutanten einig war, dass bereits öffentliche Proteste – zum Beispiel durch die Antifa oder gegen transfeindliche Positionen – zur „cancel culture“ zählen. Dabei kam es zu dem bemerkenswerten Statement, dass Buurmann mehr Angst vor dem Koran als vor dem Parteiprogramm der AfD habe, was einerseits lediglich dumm ist, da er offenbar verschiedene Textarten nicht auseinanderhalten kann, andererseits aber die Zuhörerschaft erfreuen wird, von der man annehmen darf, dass ihre Sympathien für die AfD größer sind als die für die Antifa.

Einer der Diskutierenden (wenn man überhaupt ein Gespräch als Diskussion bezeichnen will, das es sich im Konsens bequem machte) war der Gründer der Seite cancelculture.de, die dokumentieren möchte, „wie diese konformistische und zensorische Kultur unseren Alltag prägt, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt bedroht und so der Demokratie schadet“. Dort finden sich dann Fälle wie der von Lisa Eckhart, die wöchentlich im TV auftritt, von Harald Martenstein, der beim Tagesspiegel kündigte, als der einen seiner Artikel nicht online stellen wollte, oder der bizarre Rücktritt vom „Amt als Beisitzer im Vorstand der Wittgensteiner Kunstgesellschaft“, weil eine Stadtbibliothek sich weigerte, das Buch eines Selbstverlagsautors geschenkt zu bekommen. Nicht zu vergessen die Querelen um das angebliche Canceln „Winnetous“ oder die Umdichtungen von Schlagertexten, die das Missfallen des Schlagertexters Dehm erregten, welcher prompt eine „Verschandlung eines geschützten künstlerischen Werks“ witterte.

Besonders heftig sieht sich der deutsche Großdichter Uwe Tellkamp von der Cancel culture gejagt, was er, wie der Deutschlandfunk berichtete, Anfang März auf einer Veranstaltung in der Dresdner Frauenkirche beklagte: „Bereits mit Blick auf die gestiegene Zuwanderung 2015/2016 hätten Kritiker im übertragenen Sinne „sofort eins drüber gekriegt“, führte Tellkamp aus. Das setze sich nun bei Energiewende, Klimawandel und Gendern fort.“ Tellkamp sagte das übrigens während einer Live-Übertragung, die ermöglicht wurde „durch eine Förderung der KULTURGEMEINSCHAFTEN mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, NEUSTART KULTUR, der Kulturstiftung der Länder und KULTUR.GEMEINSCHAFTEN“ (Majuskeln im Original). Das ist sicherlich eine völlig neue Dimension der „cancel culture“: Man lässt sich nicht mehr nur ausladen oder niederbrüllen, sondern sogar bezahlen.

„Cancel culture“ ist ein Leermorphem, eine rechte Chimäre wie ähnlich nichtssagende Begriffe („Wokismus“, „political correctness“, „Gutmensch“ ), und wird gerne von Leuten beklagt, die eigentlich froh sein sollten, dass man den Stuss, den sie von sich geben, überhaupt ernst nimmt.

Werbung

Life during wartime, Teil 2

Krieg / Es herrscht Krieg an den Grenzen / der östlichen Republiken. / Der reichste Mann Deutschlands / besitzt Lebensmittelläden & ein Brötchen kostet / einen Euro mindestens, 200 Pfennig / in alter Währung.

Alles muss raus, zum Beispiel der Marder: „Die massiven Attacken der vergangenen Tage auf Zivilisten in der Ukraine zeigen, dass es zurzeit keinen Spielraum für Verhandlungen gibt. Wer sie fordert, spielt Putin in die Hände. (…) Frieden, Verhandlungen kann es erst geben, wenn Russland erkennt, dass es keinen militärischen Sieg geben kann. Dafür muss die Ukraine mit allem versorgt werden, was sie für den Sieg benötigt, um Russland zu schlagen: Luftabwehr, Panzer, Munition. Was ihre Militärs fordern, sollten sie bekommen. Und auch Deutschland sollte seine Zurückhaltung aufgeben und liefern, was es kann. Die Leopard-Panzer und Marder müssen an die Front.“ (Stefan Laurin, ruhrbarone.de, 11.10.22)

Vertrauen: Rund um Schulen, so kann man beobachten, plakatiert die Bundeswehr besonders häufig. „Wir vertrauen dir.“ Der Vorsitzende des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, CDU, fordert bereits eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, ansonsten sei Deutschland im Angriffsfall nicht zu verteidigen. Man glaubte ja bislang, Sinn der Wehrpflicht sei, dass Deutschland im Verteidigungsfall nicht anzugreifen sei, aber wahrscheinlich hat Sensburg genau das gemeint, was er gesagt hat, und einfach darauf vertraut, dass nach 1939, pardon: 1999 niemand sich einen weiteren deutschen Angriffskrieg vorstellen könne.

Wir waren gut vorbereitet: „Um das Ausmaß dieses Investitionsbedarfs zu verdeutlichen, muss man sich nur vor Augen führen, dass die Bundesregierungen seit 2014 massiv in die Bundeswehr investiert haben und seitdem versuchen, sie von der internationalen Einsatzarmee zur Verteidigungs- und Einsatzarmee umzubauen.“ (Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Streitbar. Was Deutschland jetzt lernen muss. München 2022)

Boomermemories, sweet Boomermemories: Sex-Beat, Quartettspiel und Krieg, 1980s revisited: „Der NBC-Bericht (über Reagans Ankündigung, man führe Krieg gegen die UdSSR, TS) stammt vom 19. Oktober 1984, das war am Donnerstag. An dem Tag war ich wahrscheinlich im Old Daddy in Oberhausen. Donnerstag war der New Wave Tag. Ich habe ihn fast nie verpasst. Und ganz sicher habe ich damals zu Sex Beat von Gun Club getanzt. Auch heute kann ich mich der Magie des Stückes nicht entziehen: „We can fuck forever but you will never get my soul“ (ruhrbarone.de, 27.1.23) „Das Panzer-Quartett – Was der Ukraine jetzt noch fehlt (…) kann bis zu sechs Soldaten sicher ins Gefecht transportieren, gibt im Kampf Feuerunterstützung. Produktionsland: Deutschland, Leistung: 600 PS, Geschwindigkeit: 65 km/h, Bewaffnung: usw.“ Ob der Marder besser ist als der französische AMX-10 RC („klein, flink, aber mit viel Rumms“)? (bild.de, 06.01.2023) Na, wer hat Lust auf eine Runde Panzerquartett? Die Erfolgsaussichten sind gewiss größer als beim Sexbeat.

Friedenspreis 1: „Tod den russischen Invasoren. (…) Die Russen sind keine Armee, sie sind eine Horde. (…) Die Russen sind keine Armee, sie sind Verbrecher. (…) Die Russen sind Barbaren. (…) Tolstoi und Dostojewski haben eine vernichtende Niederlage erlitten. (…) Die Russen sind Barbaren. (…) Kaum, dass bei uns Ukrainern irgendetwas Bahnbrechendes passiert, tauchen Schewtschenko-Zitate auf. (…) Gut, dass wir Taras Hryhorowytsch haben. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Nationaldichter!“ (Serhij Zhadan: Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Berlin (Suhrkamp) 2022)

1980s revisited, Teil 2: Der Inquisitor befragt eine Schlagersängerin: „Sie hatten vor einigen Monaten, nachdem der russische Krieg gegen die Ukraine begann, eine Strophe von „Ein bisschen Frieden“ auf Russisch eingesungen. (…) Doch warum nur in der Sprache der Kriegführenden? (…) Weshalb singen Sie die zusätzliche Strophe nicht auf Ukrainisch?“ (Taz.de, 25.12.22)

Wir waren doch nicht gut vorbereitet: „Bereits nach der Annexion der Krim und dem ersten Angrif auf die Ostukraine im Jahr 2014 wurde eine Wende in der deutschen Sicherheitspolitik gefordert. Es fehlte der Große Koalition (sic! TS) seinerzeit das Gespür für die Tragik der Lage und damit auch der Wille, diesen geforderten Wandel anzugehen.“ (Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Streitbar. Was Deutschland jetzt lernen muss. München 2022)

Friedenspreis 2: „Wie stark wir uns in diesen acht Jahren verändern konnten. Die Armee, die Gesellschaft, der Staat als solcher. (…) Hätten die Russen den großflächigen Krieg 2014 begonnen – dann hätte es wahrscheinlich weder Widerstand noch Einigkeit gegeben. (…) Eine Niederlage der Ukraine in diesem Krieg wäre die Niederlage der gesamten zivilisierten Welt. (…) Wir brauchen Waffen! (…) Die Soldaten sind wie innerlich erleuchteter Stahl: zornig, stark, bissig.“ usw. (Serhij Zhadan: Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Berlin (Suhrkamp) 2022)

Jetzt ist es weg, das schöne Geld: Die Klagen darüber, was man mit den 100 Mrd. € Aufrüstungsgeld alles für Schulen, Kitas hätte anschaffen können, zielen ins Leere. Klar, das schöne Geld scheint nun futsch zu sein, aber in der kapitalistischen Logik ist eine Waffe eine profitablere Investition als ein Schulgebäude: Entweder wird sie zerstört oder sie veraltet innerhalb von 20 Jahren. Eine Schule aber steht da und wirft nur geringen Profit ab, besser ist es, die Schüler mit schnell veraltendem Elektroschrott (in so genannten „iPad-Klassen“) auszustatten, da brauchen sie schnell neues Material. (Und völlig absurd ist die Meinung, es sei sowieso kein Geld mehr da, obwohl riesige, stetig wachsende Vermögen im Land vorhanden sind und manche Milliardäre geradezu darum betteln, besteuert zu werden. Diejenigen aber, die ihr Geld lieber behalten wollen, halten sich Rechtslibertäre, die Steuern für das Vorspiel zum Kommunismus halten, und andere Faschisten.)

Alles muss raus, zum Beispiel der Leopard: „Deutschland kann man nicht trauen. Es ist nur ein Teil des Westens, wenn es nichts kostet. Freiheit ist hier kein Wert, für den man einstehen mag. In Polen weiß man das seit Jahrhunderten. Es wäre gut, wenn unser östlicher Nachbar daraus jetzt die Konsequenzen zieht und seine Leoparden an die Ukraine auch ohne eine Genehmigung aus Berlin liefert.“ (Stefan Laurin, ruhrbarone.de, 20.1.23)

Das Zögern der Bundesregierung, den Leopard 2 („mächtigster Panzer des deutschen Heeres“, bild.de) zu exportieren, könnte auch damit zu tun haben, dass, würden viele der Tötungsmaschinen zerstört werden, der Ruf Deutschlands als Qualitätswaffenschmiede Schaden nehmen könnte. Olaf Scholz wirkte immer schon so, als sei er aus Rheinmetall gemacht.

Im Fernsehen sehr präsent: Generäle und andere Tötungsexperten.

Das hat nichts zu tun mit Verharmlosung: „Sie nennen es „Manifest für den Frieden“, diese beiden Frauen, und es handelt sich um exakt das Gegenteil: Es muss, aus jeder vernünftigen linken und emanzipatorischen Logik heraus, als „Manifest für die Unterwerfung“ bezeichnet werden, was die beiden Initiatorinnen Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer lanciert haben. (…) Sie (…) stellen sich offenbar den Krieg des Goliaths gegen David eher wie eine aus dem Ruder geratene Rauferei vor – da muss dann eben ein Stuhlkreis her. (…) Man mag sich kaum vorstellen, wie beide etwa 1943 über den Aufstand im nazieingehegten Ghetto von Warschau formuliert hätten.“ (Jan Feddersen, taz.de, 12.2.23)

Alles muss raus, zum Beispiel die F 16: „Wer will, dass die Ukraine den Krieg gewinnt und Russland vertreibt, muss dafür sein, dem Land auch Kampfflugzeuge zu liefern. Vor dem Einsatz von Panzern ist es wichtig, die Lufthoheit zu erringen. Sie sind sonst zu einfache Ziele für die feindliche Luftwaffe . Neben einer starken Luftabwehr sind Kampfflugzeuge dafür das beste Mittel der Wahl. (…) Natürlich sind Flugzeuge auch ideal dafür, um hinter der Front feindliche Ziele zu zerstören.“ (Stefan Laurin, ruhrbarone.de, 17.2.23)

Krawattenmann des Jahres, im Gepäck neue Waffen: „Biden, mit 80 Jahren nicht mehr der Jüngste, wirkt bei seiner Ankunft in Kiew nach einer Anreise von zehn Stunden Flug und einer anschließenden zehnstündigen Zugfahrt trotzdem wie aus dem Ei gepellt. (…) In seiner schwarzen Pilotenbrille, deren filigrane Bügel eindrucksvoll mit dem schneeweißen Haar des Präsidenten kontrastieren, spiegelt sich das Konterfei von Selenskyj. (…) Nur Vorvorgänger Obama legte bisher derart hollywoodreife Auftritte hin. Allerdings wusste der nicht um die Macht der Symbolkrawatte. (…) Durch das blütenweiße Hemd, auf dem die Krawatte ruht, gewinnen die majestätischen Farben zusätzlich an Strahlkraft. Eingerahmt von einem tiefschwarzen Mantel mit klassischem Reverskragen, wird die Krawatte zum wesentlichen Merkmal dieses geschichtsträchtigen Looks. (…) Mit seinem Auftritt signalisiert Biden Moskau, dass der Westen Kiew weiter souverän unterstützen wird. Sein Outfit trägt das seine dazu bei.“ (welt.de, 20.2.23)

Boomerpazifismus, mittlerweile gecancelt: Eine Meinung, und zwar die von Ralph Sina, WDR, zum 24.2.22ff. am 25.2.23: „Ich sprach damals von einem tiefen Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte.“ Weil sie mittlerweile zur Vorkriegsgeschichte geworden ist? „Ich würde heute zum Beispiel den Wehrdienst nicht mehr verweigern.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass der Jahrgang 1955 noch zur Bundeswehr eingezogen wird, ist allerdings gering. „Frieden schaffen ohne Waffen (…) diese pazifistische Grundhaltung ist mir nach wie vor sympathisch (…), aber (…) angesichts Putins Vernichtungskriegs auch gefährlich naiv.“ Die Verwendung des Begriffs „Vernichtungskrieg“ zeigt an, dass da einer Lehren aus der Nazizeit gezogen hat, der Russe ist ihm der Wiedergänger des Deutschen: „Ich wünsche mir, dass eines Tages ein Putin-Nachfolger in Kiew vor dem Denkmal für ukrainische Soldaten niederkniet und um Entschuldigung bittet – so, wie es Willy Brandt 1970 in (…) Warschau gemacht hat.“ Aber erst einmal muss der Frieden mit mehr Waffen geschaffen werden: „Als ehemaliger Zivildienstleistender bin ich jetzt strikt dafür, dass die EU-Staaten gemeinsam der ukrainischen Armee so viele Waffen, Panzer und Munition wie möglich liefern. Russland kann nur durch militärische Gewalt gezwungen werden (…) zu verhandeln“, und wenn nicht, muss man halt sehen, was passiert. Wird schon schief gehen. Und sollte Deutschland in den Krieg ziehen, wird der Herr Sina als nun „ehemaliger Kriegsdienstverweigerer“ sich bestimmt freiwillig melden.

Hufeisen: „Historische Parallelen. Die deutsche „Friedenspropaganda“ wurde auch von der Sowjetunion verbreitet. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum deutschen Angriff 1941 beschuldigte sie die Westmächte der Kriegstreiberei. (…) Thomas Mann zu den deutschen „Friedensangeboten“ von 1941 liest sich wie der Kommentar zum Tage: „Sie verlangen Frieden (..) Damit meinen sie: Unterwerfung. Die Legalisierung ihrer Verbrechen, die Hinnahme des Unerträglichen. Aber das ist nicht möglich.“ Hufeisen. Hufeisen und Nobelpreisträger. Immer gut, wenn man beide zur Hand hat. (Ralf Fücks auf twitter, 25.2.23)

Zum Abschluss auch einmal gute Nachrichten. Aus der FAZ, 25.2.23: „Warum die Börsen den Krieg besser als erwartet verkraftet haben.“ Vielleicht, weil sie den Krieg erwartet haben, in dem tote Soldaten keine Gelegenheit mehr haben, wieder auf die Beine zu kommen? Anders der Dax: „Der Dax hat sich über die Monate wieder berappelt“, und wer wissen will, was Christian Siedenbiedel weiß, nämlich „warum (…) die Aktienkurse in Deutschland jetzt höher als vor einem Jahr“ sind, obwohl „die Menschen in der Ukraine weiterhin (…) das Leid und den Schrecken dieses Kriegs (…) zu ertragen haben“, der zahle 1 € /Woche an die FAZ (statt 2,95, aber Achtung, das Angebot gilt „nur noch bis zum 27.2.23!“ ). Falls er es aber von mir wissen will, verrate ich ihm kostenlos, dass die Aktienkurse in Deutschland auch deswegen höher als vor einem Jahr sind, weil die Menschen in der Ukraine den Krieg zu ertragen haben.

FRIEDEN / Die Brötchen kosten drei Pfennig. / Der Brötchenmann wirft sie morgens in den Beutel / An meiner Tür. Eine Preissenkung / Ist in Aussicht.“ (Peter Hacks)

Globales Trinkgeld für Tanya

Wer Unterwäsche bei der Firma erlich bestellt, hat die Möglichkeit, mit einem Mausklick den Näherinnen ein Trinkgeld in geringer Höhe zu spendieren. Man kauft sich also im „End of Season Sale“ das „Businessunterhemd Manfred weiß“ für 14,98 € und kann dann mit „tip me“, dem „globalen Trinkgeld“, ein Trinkgeld hinzufügen, genauer: 3, 5 oder 10 €, um die „Näher*innen zu unterstützen“.

Eine von wird vorgestellt, es ist Tanya, die, so erfahren wir, das Trinkgeld nutze, „um ihre Wohnung nach einer Explosion zu reparieren.“ Wie das gehen soll, bleibt unklar, denn Tanya ist nur einer der „65 Menschen aus der Ukraine, die von euch Trinkgeld erhalten haben“, insgesamt eine Summe von 3.043 €, also nicht einmal, bei gerechter Verteilung, pro Mensch 50 €, mit denen es auch in der Ukraine schwer fallen dürfte, eine Wohnung zu reparieren.

Man fragt sich überhaupt, warum die Firma erlich, die ihre „hohen Sozialstandards“ gerne betont, nicht einfach den Näherinnen mehr Lohn bezahlt. Oder warum diese nicht einen höheren Lohn erstreiken, schließlich sind Businessunterhemden oder Büstenhalter keine kriegswichtigen Güter. Aber das geht nicht, denn Streiks und Demonstrationen sind wegen des Kriegsrechts verboten, das auch die Rechte der Arbeiter*innen massiv einschränkt: Sie können grundlos entlassen werden, ihre Tarifverträge können einseitig gekündigt, die Wochenarbeitszeit erhöht und Urlaubstage gestrichen werden. Und auch der Mindestlohn von 154 € mag dazu beitragen, dass deutsche Textilunternehmen – nicht nur erlich, sondern auch Adidas, Esprit, Aldi etc. – gerne in der Ukraine produzieren lassen: Mit einem Anteil von 38 % ist Deutschland das Hauptabnehmerland für Textilien aus der Ukraine. Und so verwundert es nicht, dass Tanya nicht allzu begeistert in die Kamera von tip me schaut, als wisse sie, dass ihre Freiheit, die gerade verteidigt wird, nichts anderes ist als die Freiheit für einen Hungerlohn ausgebeutet und mit einem willkürlichen Trinkgeld aus dem Westen gedemütigt zu werden.

Kautschukboom: White man driving, white man fucking

Wer sich zu arbeiten weigerte, wurde erschossen, erschossen wurde auch, wer zu fliehen versuchte. Wen man bestrafen wollte, den hängte man kopfüber an einen Baum und überließ ihn seinem Schicksal. Als Beweis ihrer Mordtaten mussten die Soldaten die Hände ihrer Opfer vorlegen, auch Lebenden wurden die Hände abgetrennt, wenn sie nicht arbeiten wollten oder wenn es galt, den Munitionsverbrauch zu erklären. Der Besitzer dieser Kolonie, dieser Hölle war ein europäischer Verbrecher deutscher Herkunft, die Gepflogenheiten der Zeit brachten es mit sich, dass er nicht „Schuft“ genannt wurde oder „Lump“, sondern „König“. Ihm, Leopold II. von Belgien, gelang es, die Produktion des Rohstoffs, nach dem die Welt gierte, erheblich zu steigern, während sich die Zahl der Koloniebewohner gleichzeitig halbierte.

Selbe Zeit, selber Rohstoff: In einem südamerikanischen Land sorgte ein Unternehmer dafür, dass seine indigenen Sammler ohne Pause arbeiteten. Wenn sie dies nicht taten, wurden sie gefoltert, Journalisten, die über die Produktionsbedingungen berichten wollten, wurden eingeschüchtert und zusammengeschlagen.

Der Rohstoff, um den es ging, war Kautschuk. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde er in großen Mengen benötigt, um unter anderem Fahrrad- und Autoreifen herzustellen. Die steigende Mobilität weißer Männer (wir lassen die wenigen Frauen hier einmal unberücksichtigt, das Fahrradfahren stand lange im Verdacht, die weibliche Onanie zu fördern und daher wurden Radlerinnen kritisch beäugt) wurde mit der Entvölkerung ganzer Landstriche bezahlt, man schätzt, dass die Herrschaft Leopolds II. im Kongo 10 Millionen seiner Bewohner das Leben gekostet hat. 10 Millionen Tote – dies ist die Eröffnungsbilanz des automobilen Kapitalismus.

Aber da nun auch Kondome leichter herzustellen waren, bescherte der Kautschukboom und die ihn begleitende Zwangsarbeit dem weißen heterosexuellen Mann auch den Schutz vor Geschlechtskrankheiten und ungewollten Schwangerschaften, also eine gewisse Sicherheit bei seinen Affären. Unbeschwertes Ficken auf Kosten der Bewohner des Trikonts: Die Welt, die sich der Kapitalismus geschaffen hat, ließe sich kaum auf ein passenderes Bild bringen.

Die Abenteuer der Silvesternacht. Miszellen

Kaum gibt‘s mal Randale unter Beteiligung von Migranten, bescheinigen Konservative und Liberale, es werde mit der „Integration“ nie etwas. Dabei ist es doch seit Margaret Thatcher das Credo der Konservativen und Liberalen, dass es so etwas wie Gesellschaft nicht gebe, also auch nichts, wohinein man sich integrieren müsse.


„Es reicht!“ meinte bild.de. Wahrscheinlich reicht‘s mit der Gewalt. Das stimmt. Man hat ja kaum noch Zeit, sich die Filme von sterbenden Soldaten und explodierenden Panzern anzusehen, die bild.de ins Haus liefert.


Warum wird Heinz Buschkowsky, der vor einigen Jahren sein schmales Bezirksbürgermeistergehalt durch das Schreiben des Bestsellers „Neukölln ist überall“ aufstockte, eigentlich immer noch als Experte angesehen, wenn Vorfälle in Neukölln gerade dadurch, dass sie tagelang in den Schlagzeilen beackert werden, beweisen, dass Neukölln eben nicht „überall“ ist? Der Mann ist alles andere als ein Experte, sondern ein krachend gescheiterter Hobby-Autor.


Ein besonders pfiffiger Zeitgenosse, ein Claudio Casula, fragt auf Twitter, ob es sich denn bei den Pogromen in Hoyerswerda (1991) auch um „gruppendynamische Prozesse“ gehandelt habe. Der Vergleich ist ebenso perfide (verharmlost er doch die zahlreichen Morde der Rechten in den Jahren 1990ff.) wie falsch: Wären die Situationen ähnlich, würde demnächst das Grundgesetz im Sinne der neuköllner Randalierer geändert.


Kaum machen 150 Leute Randale, soll gleich geändert werden, was einem eh nicht passt: So fordert der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ein Herr Meidinger, in der „Bild“-Zeitung eine „Migrantenquote“ für Schulklassen. Und niemand sagt ihm, was für einen Unsinn er verzapft. Dazu Rudis Kommentar aus Köln: „Ich bin schon ganz gespannt darauf, wie die Eltern aus Rodenkirchen reagieren, wenn ihre Kinder nach Chorweiler gekarrt werden, um da die Migrantenquote zu senken. Und ebenso gespannt, wie sie reagieren, wenn Kinder aus Chorweiler an Rodenkirchener Gymnasien auftauchen. Man kann also Vorsitzender eines Lehrerverbandes werden, ohne eine Ahnung von Schulen zu haben.“ Deutschland ist eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Unter diesen Umständen, wenn ich jetzt, wahrscheinlich doch Soldat

Von seinem Vater berichtet Andreas Frege, dass der sich „schon früh für Politik“ interessiert und daher „unbeantwortete Geburtstagsgrüße an Kaiser Wilhelm II ins Exil“ (Campino: Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde, S.165) gerichtet habe, was seine „kritische Haltung zum Nationalsozialismus“ belege. Die hatte dann Konsequenzen: „Er wusste, wenn er sich dem politisch neutralen Militär anschließen würde, würden sie ihn in Ruhe lassen. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte“, denn das Militär entpuppte sich schnell als gar nicht so politisch neutral, aber wer konnte das damals ahnen? Trotzdem konnte der Sohn sich später nicht ersparen, dem Vater eine kritische Frage nicht zu ersparen: „Wie konnte er eigentlich damit leben, als Soldat für ein verbrecherisches Regime gekämpft zu haben? Nicht für Hitler sei er im Krieg gewesen, sagte mein Vater dann, sondern für seine Eltern und Vorfahren und nicht zuletzt, weil er einen Soldateneid geschworen hatte“ (ibid., S.166), der zwar auf den Führer geschworen wurde, aber diese Bemerkung ersparte der Sohnemann dem Vater. Immerhin, ihm kamen Zweifel: „Ich bezweifle bis heute, dass, wer als Soldat in einen solchen Krieg gerät“ (und wer weiß nicht, wie die Soldaten der Wehrmacht dorthin geraten waren, wo sie für nichts konnten?), „darin sauber bleiben kann. Wie ich mich an seiner Stelle verhalten hätte, darüber wage ich nicht zu spekulieren.“ (ibid., S.167)

„Hope Street“ erschien 2020 und handelt hauptsächlich von Freges Begeisterung für den FC Liverpool, seine Reisen zu Spielen des Vereins und was er dabei erlebt und getrunken hat. Die familienbiographischen Exkurse verleihen dem Genre des Rumreiseberichts ein wenig Tiefgang, doch zwei Jahre später verwirft „Campino“ seine pazifistischen Skrupel, denn der Russe, über den Vater Frege „meistens zur Weihnachtszeit“ (ibid., S.171) erzählte, ist wieder, wenn auch noch nicht bei Stalingrad, auf den Plan getreten: „Ich persönlich habe den Kriegsdienst 1983 verweigert. Das würde ich heute, unter diesen Umständen, wenn ich jetzt meine Einberufung bekäme, wahrscheinlich nicht mehr tun“, verriet er im Mai dpa und benannte auch den Grund: „Wir können es uns nicht leisten, völlig wehrlos gegenüber Despoten zu sein, wie Putin einer ist, der alte Machtfantasien auslebt. So einen Mann kann man nur stoppen, wenn er auch Respekt vor der Gegenseite hat.“ Der Respekt Putins vor der Gegenseite wird nicht geringer dadurch werden, dass die „Toten Hosen“ angesichts ihres fortgeschrittenen Alters allenfalls bei der Truppenbetreuung zum Einsatz kommen werden, was der verspäteten Meldung des Schützen Campino zum Dienst aber nichts von ihrer Schleimigkeit nimmt.

Niedliche Nazis

Kaum waren die ersten Nachrichten über die Razzia gegen eine mutmaßliche Verschwörung von AfD-Kadern, Querdenkern, Reichsbürgern und anderen Antisemiten durchgedrungen, lief die große Relativierungsmaschinerie aus der vornehmlich konservativen resp. afd-nahen Richtung an: Susanne Gaschke, ehemals SPD, ehemals – wenn auch nur kurz – Oberbürgermeisterin von Kiel und ehemals „Welt“, fragte in der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Haben Deutschlands Sicherheitsbehörden womöglich mit Kanonen auf Spatzen geschossen?“ Auf der „Achse der Guten“ rätselte ein unter dem Pseudonym „Claudio Casula“ publizierender Whiskytrinker, „ob hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, um das Narrativ der großen Bedrohung von rechts zu stützen.“ Ein „Narrativ“, das in den letzten Jahren, vorsichtig geschätzt, 14 Menschenleben gekostet hat, aber das muss an „Casula“ wohl vorbegegangen sein, was nicht verwundert, wenn er „harte Ermittlungsergebnisse“ fordert, die angeblich im Fall „eines Franco A. (…) auch nach Jahren allesamt weniger als dürftig kommuniziert wurden“. Es wäre zwar leicht sich zu informieren ( zum Beispiel beim Generalbundesanwalt oder bei nsu-watch Hessen ), aber wahrscheinlich meint „Casula“, als journalistische Kernkompetenz sei die Fähigkeit, Whiskysorten am Geschmack erkennen zu können, wichtiger als Recherche.

Ebenfalls seine Leser für dumm verkaufen möchte Roland Tichy, Herausgeber des gleichnamigen Magazins: „Am Erschreckendsten aber ist, dass Nancy Faeser sich mit ihrer Inszenierung unwidersprochen des Staatsapparates bedienen konnte.“ In der Tat ein Skandal: die im Kabinett für die innere Sicherheit zuständige Ministerin setzt den Staatsapparat in Bewegung, wenn sie die innere Sicherheit bedroht sieht. Tichy richtet an die beteiligten Beamten einen schweren, wenn auch nicht allzu originellen Vorwurf: „Keiner hat die Traute zu sagen: Frau Ministerin, schießen wir hier nicht auf Kanonen auf Spatzen?“Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang der Hinweis auf „räuberische Clans“ (also kriminelle Migranten bzw. jeden, den Tichy dazu zählt), gegen welche die Beamten sinnvoller eingesetzt gewesen wären.

Im weiteren Verlauf der Berichterstattung wurde über den „Rollatorputsch“ gespottet (übrigens von Leuten, die einen 70jährigen für einen fähigen Kriegshelden halten und einem 76jährigen dahingehend vertrauen, dass er eine Verschwörung aus QAnon und tiefem Staat aufdecken wird), die Prepperitis des Verschwörerclans wurde mit dem Hinweis auf „Raviolidosen“ ausgeschmückt und die anfangs nur spärlichen Waffenfunde banalisiert. Die Intention aber dieser propagandistischen Offensive dürfte klar sein: Sie soll davon ablenken, dass eine ranghohe Politikerin einer im Bundestag vertretenen Partei in eine Verschwörung, die einen rechten Putsch zum Ziel hatte, verwickelt war, eine Verschwörung, an der (nicht nur ehemalige) Elitesoldaten teilnahmen. Das redundante Geschwafel von den Spatzen, auf welche angeblich mit Kanonen geschossen werde, suggeriert, man dürfe die Bande erst dann dingfest machen, wenn sie mit Schusswaffen im Bundestag steht. Generös ignoriert wird dabei auch die zwielichtige Rolle, die Polizisten und Verfassungschützer bei vergangenen Manifestationen rechter Gewalt (NSU, NSU 2.0) spielten, von der Bundeswehr (Franco A. ist kein Einzelfall) ganz zu schweigen.

Zudem dienen die Verniedlichungsbemühungen der durchaus bewussten Abschreckung davor, sich mit dem rechten Milieu, das sich im Moment vor Zuwendung (CDU-MP trifft neurechten Dichter, den die „Welt“ zum „Dissidenten“ verklärt, CDU stimmt mit AfD gegens „Gendern“ usw.) aus dem noch nicht ganz so rechten Milieu kaum zu retten weiß, näher zu befassen. Jede*r weiß, dass die AfD in den letzten Jahren konsequent nach rechts gerückt ist, jede*r weiß, dass sie eine Bedrohung für alle ist, die von ihr und ihren Mitgliedern als „fremd“ gelesen werden, aber das hindert die Herrschenden nicht daran darüber nachzudenken, ob man sie nicht doch – irgendwann, bald oder irgendwann bald – gebrauchen kann, wenn es gilt, die Folgen der Krise auf die ganz Armen abzuwälzen.

Puschkin gab ich für Eisen

(alle Zitate aus der taz)

Das letzte Geleit

„Dutzende Trauernde geben zwei Soldaten, die an der Front gefallen sind, das letzte Geleit. Einige hundert Meter entfernt, in der Nähe des Theaters, hat sich eine weitere Gruppe von Menschen eingefunden. „Russische Literatur ins Altpapier“ heißt ihre Aktion. Sie findet in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Luzk statt. Die Or­ga­ni­sa­to­rin­nen haben in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, von zu Hause Bücher russischer Au­to­rin­nen mitzubringen, sie ins Altpapier zu geben und mit diesem Geld die ukrainische Armee zu unterstützen. Dutzende Personen haben sich am Theater eingefunden.“

Den Kopf frei bekommen

„Die Altpapiersammlung russischer Bücher hat zwei Ziele: unseren Kopf frei zu bekommen von diesen russischen Narrativen und die Armee zu unterstützen“, sagt Tatjana Scherschen, eine der Organisator*innen. Sie ist die künstlerische Leiterin des Kulturpalasts in Luzk. Die Einrichtung wird die gesammelten Bücher als Altpapier verkaufen, das dann zu Toilettenpapier oder Pappbechern für Kaffee verarbeitet wird.“

Eine deutsche Leserstimme

„Man entfernt die Kultur des ehemaligen Kolonialherren während der einen Vernichtungskrieg gegen das eigene Volk führt. Ist jetzt nicht die große Neuigkeit, dekolonialisierung der Köpfe ist auch wichtig und die Ukraine hat genügend eigene gute Autoren braucht die russischen nicht.“

Vollgepackte Autos für ein Auto an der Frontlinie

„Auch anderswo wird aussortiert. In der Stadtbuchhandlung von Kiew, „Sjaiwo knigi“, kamen ganze 25 Tonnen zusammen.„Mehr als 1.700 Ein­woh­ne­r*in­nen von Kiew haben mitgemacht. Sie trugen die Bücher auf ihren Armen, in Koffern, transportierten sie in voll gepackten Autos, schickten sie mit einem Taxi oder per Post.“, teilt die Buchhandlung mit. „Es wurden 48.000 Bücher gesammelt, für die wir 100.000 Hriwna (umgerechnet 2.620 Euro) erhalten haben. Das Geld wird verwendet, um ein Auto für ein Bataillon an der Frontlinie zu kaufen“, hieß es weiter.“

Der praktische Nutzen

„Die Leute haben viel Kinderliteratur, Comics, Zeitschriften, aber auch Sammelbände von Anton Tschechow und Alexander Puschkin und Lew Tolstoi – fünf Exemplare von „Anna Karenina“ – hierhergebracht. Aber es gibt auch viele Enzyklopädien. „Das ist jetzt der praktische Nutzen von Puschkin und Dostojewski“, sagt ein alter Mann, der Bücher auf einem Wägelchen hinter sich herzieht. „Die russische Geschichte geht in die Geschichte ein“, sagt ein anderer Mann. Ein Ehepaar aus Luzk bringt 70 Kilogramm russische Literatur mit, um sie zu Altpapier zu machen. Ljudmila Romanjuk, die 1976 von Luhansk nach Luzk gezogen ist, hat ihre Bibliothek zu Hause entrümpelt. Das Ergebnis: 160 Kilo fürs Recycling. Die russischen Bücher verschwinden nicht nur in Privatwohnungen aus den Regalen, sondern auch in Bibliotheken. Die Direktorin der wissenschaftlichen Bibliothek in Luzk, Ljudmila Stasiuk, erzählt, dass die meisten russischen Bücher im Mai entfernt und eingelagert worden seien.“

Wütende junge Leute

„In der Jugendbibliothek des Gebietes Wolhynien hätten die Le­se­r*in­nen das selbst initiiert, lange vor der offiziellen Anordnung der Regierung. „Die jungen Leute sind schon im März zu uns gekommen. Sie waren wütend, als sie in den Regalen Alexander Puschkin und sowjetische Kin­der­buch­au­to­r*in­nen gesehen haben“, sagt Alla Efremowa, die Leiterin der Jugendbibliothek. Ungefähr 35 Prozent des Bestandes in ihrer Bibliothek sind Bücher in russischer Sprache. Die Bibliotheken folgen damit der Anordnung des Ministeriums für Kultur und Informationspolitik der Ukraine. Darin heißt es, Propagandaliteratur sei aus ukrainischen Bibliotheken zu entfernen.“

Noch eine deutsche Leserstimme:

„Es ist ein Versuch der Entkolonialisierung. Nicht sämtliche russische Literatur wird etwa verbannt, aber die Dominanz wird auf einen angemessenen Anteil zurückgedrängt, um Platz für ukrainische Kultur und die Kultur anderer Länder zu schaffen. War doch nach dem Ende der DDR ähnlich: Tolstoi schön und gut, aber Gaidar, Ostrowski und Majakowski sind dann doch ins Altpapier gewandert. Vieles war einfach ungerechtfertigterweise komplett überrepräsentiert, nicht jede Kleinstadt in Ostdeutschland benötigte noch eine Puschkinstraße.“

Onegin, der Gewaltverherrlicher

„Der zuständige Minister Oleksandr Tkatschenko hatte im Mai gesagt, dass Literatur in Bibliotheken vernichtet werde, wenn sie Gewalt gegen oder die Vernichtung von Ukrai­ne­r*in­nen befördere, die russische Armee verherrliche. Oder wenn es um Schrift­stel­le­r*in­nen gehe, die unter Sanktionen oder auf schwarzen Listen stehen. Im Sommer hatten die Verantwortlichen in der Ukraine beschlossen, russischsprachige Werke von Schriftsteller*innen, deren Werk eng mit der Ukraine verbunden ist, wie zum Beispiel Nikolai Gogol und Michail Bul­gakow, im Lehrplan der Schulen zu belassen. Au­to­r*in­nen wie beispielsweise Alexander Puschkin, Anton Tschechow, Lew Tolstoi oder Anna Achmatowa werden im Unterricht dagegen nicht mehr vorkommen.“

Bulgakows Bastionen bröckeln

„Die Bastionen von Michail Bulgakow – in der Ukraine einer der berühmtesten russischen Schriftsteller – bröckeln. Der Schriftstellerverband der Ukraine will das Bulgakow-Museum in Kiew schließen, aber dessen berühmtes Werk „Hundeherz“ wird teilweise noch Schullektüre bleiben, und zwar dann, wenn Lehrkräfte und Schü­le­r*in­nen das wollen. Der Zustimmung der Lehrkräfte bedarf es auch, um den Roman von Anatoli Kuznenzow „Babi Jar“ aus dem Jahr 2014 im Unterricht zu behandeln.“

Aus Respekt vor den Opfern des Puschkinismus

„Er jedenfalls unterstütze Bestrebungen in dieser Richtung, hatte kürzlich Alexandr Tkatschenko, Minister für Kultur und Informationspolitik, verlauten lassen. Gleichzeitig regte er an, vielerorts Puschkinstraßen umzubenennen. Derzeit gebe es in der Ukraine 400 Puschkinstraßen, und das sei eindeutig zu viel, so Tkaschenko.“

Danke, Katar!

Der Zustand, kein Zweifel, der Welt ist finster: In der Ukraine zeigt sich, dass dem Imperialismus, wenn ihm nichts mehr einfällt, immerhin noch der Krieg einfällt, der in diesem Fall nicht nur mit finsteren faschistischen Symbolen geführt wird, sondern auch von außen mit Waffen und Durchhalteparolen gefüttert wird – für welche Seite das gilt, mag jede*r für sich selbst entscheiden.

Die Türkei greift zur gleichen Zeit Kurdengebiete an, und keinen interessiert‘s. Kurden sind es auch, die den Aufstand im Iran vorantreiben, der aber dem westlichen Teil der Welt außer Gratislob für die Mutigen nur ein müdes Lächeln abverlangt: Man weiß ja nie, ob man es sich mit den Mullahs verderben sollte. Zumal eine mehr oder weniger dezente Faschisierung auch für Europa ein womöglich taugliches Krisenbewältigungsmodell sein könnte. Die FAZ tastet sich schon vor und nennt das Bündnis von Berlusconi, Salvini und Naziblondie Meloni eine „Mitte-Rechts-Koalition“, und während man sich noch fragt, wo denn da die Mitte sei, paktiert die CDU Thüringens aus irgendeinem albernen Anlass („Gendern“) mit der AfD. Ein Testlauf offenbar, und für diese Verlobung musste sich die Braut Höcke gar nicht einmal hübsch machen, man hat sie sich schön gesoffen.

Von Thüringen schnell wieder in die Welt: der geht es schlecht und weil das so ist, legen sich mutige Jugendliche mit Autofahrern und Polizisten an und werden dafür von Pressmaulhelden als „Terroristen“ bezeichnet. Drunter tun sie‘s nicht, denn die Scheußlichkeit der Weltverhältnisse muss vom Schreibtischstuhl aus ebenso tapfer wie wütend verteidigt werden.

Reden wir nicht von den Armen in Deutschland, von denen zwei Millionen anstehen müssen, um altbackene Brötchen und welken Salat geschenkt zu bekommen, reden wir nicht von den Reichen in Deutschland, deren Vermögen ungebremst wächst, reden wir lieber von den ganz Reichen, der Herrscherclique in Katar, die sich den Traum eines jeden rich kid erfüllt hat: einmal die besten Fußballer der Welt für sich spielen zu lassen. Und warum? Na, weil sie es können. Doofe Frage.

Dass sie selbst nach den bescheidenen Maßstäben Gerhard Schröders keine lupenreinen Demokraten sind – geschenkt, wen hat das 1978 in Argentinien gestört? Dass sie dem Westen Doppelmoral vorwerfen – so richtig wie billig, Doppelmoral zählt zur ideologischen Grundausstattung des Westens, der beklagt, dass beim Bau der Stadien Tausende Wanderarbeiter ums Leben kamen und noch viel mehr ausgebeutet wurden. Abgesehen davon, dass westliche – auch deutsche – Architekturbüros am Bau dieser Stadien kräftig verdienten, geht man anscheinend davon aus, dass alle andere Waren – Smartphones, Kleidung etc. – unter größtmöglichem Arbeitsschutz und mit angemessener Bezahlung produziert wird. Gerne wird Katar auch vorgeworfen, dass die Stadien nach der WM kaum genutzt werden. Ja und? Schon einmal was von Keynesianismus gehört? Und ist es nicht immer noch besser, dass die rich kids sich ein paar Protzbauten in den Sand setzen, als dass für den Bau und Unterhalt von WM-Stadien – WM 2006, „Sommermärchen“, you remember? – klamme deutsche Kommunen, in deren Schulen die Fenster schimmeln, blechen müssen?

Nein, man muss Katar dankbar sein, dass dieses Land mit der WM auch dem Letzten die abgrundtiefe Obszönität der Weltverhältnisse bewies. Der Fußball, das Spiel, das den Proletariern gehört, das Spiel, das bei aller Regelhaftigkeit immer Raum lässt für Anarchie und dem faschistischen Ideal des heldenhaften Einzelkämpfers die Schönheit des Kollektivs entgegensetzt, dieses Spiel befindet sich in den Händen geistesgestörter megalomanischer Geschäftsleute und ihrer durch und durch korrupten Zuarbeiter. Was liegt also näher, als es daraus zu befreien? Aus einem Fußballspiel ist 1969 schon einmal ein Krieg entstanden, warum nicht 2022 eine Revolution? Schlechter als jetzt (s.oben) kann es eh nicht werden. Danke, Katar, dass du uns das vor Augen geführt hast.

Der deutsche Mittelstand meldet sich aus Anlass zweier Preisverleihungen in Fragen der Literatur zu Wort.

Eine Zitatcollage. (Rechtschreibung wie im Original)

Mir war der Name der Dame kein Begriff, ich wusste (nicht ahnte; WUSSTE) aber sofort beim Hören der Meldung, dass mit der etwas “nicht stimmen” kann. Eine unangenehme Person, keine Frage, die in meinen Augen geradezu abscheuliche Ansichten hat und Absichten verfolgt. Die blindeste aller Nobelpreisträgerinnen hat das Gesicht zu ihrer Klugheit, wie ich diese Oneworld-Tussie verachte. Wer kennt die? Und wer liest solchen Stuss, und kauft sich sogar noch ein Buch? Als ich am Tag der Verleihung in einem gut besuchten Antiquariat laut fragte, wer Annie Ernaux kenne, meldete sich nur eine ältere Frau, Typ feministische Linksintellektuelle, vielleicht Lehrerin. Dass die woke Journaille entzückt ist, wundert mich nicht! Erneaux trifft genau die Gesinnung, die im vorherrschenden rotgrünen, woken Kosmos en vogue ist! Das ist die schwedische Marxistenblase. Der heutige Literaturnobelpreis entspricht ungefähr dem damaligen Karl-Marx-Orden der DDR. Den hat ja auch die Jelinek bekommen. Wer meiner Meinung nach bei den Literatur Nobel Preisen fehlt ist Ayn Rand, die Grüchteküche sagt, Houellebecq hätte es werden sollen. Der hätte es wenigstens echt verdient. Salam Rushdie wäre ein Kadidat gewesen, Houellebecq wäre klasse gewesen! Ich würde Haruko Murakami vorschlagen. Er hätte den Preis schon längst verdient! Wann kriegt Michel Houellebecq den Literaturnobelpreis?

Früher musste Eintritt dafür gezahlt werden, irgendwelche Randgruppen selbst darstellende Tunten in ihren kleinen Varietétheater zu erleben. Das Geschäft läuft nicht mehr, nun ist es das gesamte Land, dass diese Show, aus meiner Sicht eine kranke Show einer Minderheit, kostenlos erleben soll. Es ist einfach nur ekelhaft. Wenn interessiert es, was das Autor-Dings sich in den Hintern gesteckt hat? Dieser Typ ist ein Fall für die Klapse. Wieso läuft der noch frei rum oder weshalb hat man sowas rausgelassen. Ein weiterer Spinner, den die Welt nicht braucht. Diese nonbinäre Sache scheint wirklich eine geistige Störung zu sein. Der Wahnsinn geht viel weiter als sich das irgendjemand vorstellen kann. Die sind doch alle bloß verrückt. Diese Gesellschaft ist in der Auflösung begriffen. Und all diese irregeleiteten Gestalten, die man da erschafft, ob divers, pervers, queer oder längs, mit oder ohne, nonbinär oder Teddybär, werden in Bälde alle Therapeuten, Coaches, Psychologen , Psychiater, Chirurgen und Internisten und vieles mehr brauchen, natürlich alles auf Krankenschein, wenn sie in ihrem Dasein als Randerscheinungen der Gesellschaft dahin vegetieren, und merken, daß vielleicht doch nicht alles so toll ist, wie sie sich das vorgestellt haben. Und dan klingelt die Kasse nochmal, auf unser aller Kosten. Vielleicht ist es tatsächlich mal wieder dran, daß wir echte Probleme bekommen, dann ist zumindest dieser Zirkus vorbei. Wer noch Zweifel hat an dem bösen Wort “Gleichschaltung”, also der Abwesenheit jeglichen Einspruchs, jeglicher Subversion, braucht nur fern zu sehen. Aus den schicken neuen Auto hinein in die noch schickere Einbauküche steigen fast ausnahmslos: Schwarze. Statt Minderheiten – jetzt eben Normalo-Bashing. Ein mittlerweile allgemein goutiertes Schmähen des “alten weißen Mann”, also die Reduzierung einer Abwertung auf Geburtsdatum und Hautfarbe, ist nicht mehr weit weg vom “ewigen Juden”. Das genau ist der “spirit” aus dem jetzt Figuren wie Kim Horizon auf den Schild gehoben werden. Also liebe Kids, Penis raus, die Muschi rasiert und dann behaupten, man wäre das Gegenteil, von dem was man ist und schon fließen die Dollars.