Danke dafür, AfD oder die mehr als überfällige, wenn auch ungewollte Entlarvung des „cancel-culture“-Hoaxes


Es war nicht die alles beherrschende Nachricht, aber eine Nachricht war es doch, die in den letzten Tagen auf den Zeitungsseiten und im Internet aufblitzte: Die AfD war mit einer Klage gescheitert, die sie vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen das Kultusministerium Niedersachsens erhoben hatte. Eine Schülertheatergruppe der Gesamtschule Schinkel in Osnabrück hatte 2019 ein Stück geschrieben, das auf Tweets von AfD-Politikern basierte und diese dramatisch verarbeitete. Junge Leute machten sich also Gedanken über gesellschaftliche Tendenzen und verarbeiteten diese Gedanken künstlerisch. Kann es eigentlich Erfreulicheres geben? Die AfD sah das anders und meinte einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot der Lehrkräfte zu erkennen. Begleitet wurde die Klage durch eine Veröffentlichung der Adresse des Schulleiters auf der afd-affinen Internetkloake „pi-news“, die Beleidigungen und Bedrohungen durch den rechten Internetmob nach sich zog. Das Gericht aber wies die Klage ab und gewichtete das Recht auf Kunstfreiheit stärker als mögliche Verstöße gegen das Neutralitätsgebot.
Einen kleinen Erfolg wollte die AfD dann doch für sich verbuchen, da es, wie der stellvertretende Landesvorsitzende erklärte, seit der Klageerhebung keine weiteren Projekte dieser Art gegeben habe. Die Einschüchterung scheint also funktioniert zu haben. Diese Taktik ist um so mieser, da sie sich nicht gegen gutsituierte Erwachsene richtet, sondern gegen Jugendliche, die ihren Sorgen auf sehr kreative Art und Weise Ausdruck verliehen haben. Sie bekamen von einer Partei, die bevorzugt auf die Schwächsten in der Gesellschaft eindrischt, den Stinkefinger gezeigt. Das wird ihnen sicherlich eine Lehre sein und sie in ihrem antifaschistischen Engagement bestärken.
Doch allzu schlau war die Klage nicht: Zum einen hat die AfD den Bekanntheitsgrad des Stückes weit über seine ursprünglich 70 Zuschauer hinaus erhöht, zum anderen ist nun klar, dass das Eintreten der AfD und mit ihr verbundener Medien gegen die so genannte „cancel culture“ nichts weiter ist als ein billiger Bluff – denn was wäre dieser Einschüchterungsversuch anderes als eben die cancel culture, deren Beseitigung sogar in einem „10-Punkte-Programm“ der AfD gefordert wird? Man schaue sich außerdem die gleichnamige Website, die ein Redakteur von Novo betreibt und jeden Freitag auf der „Achse des Guten“ verlinkt, ruhig einmal auf die dort getroffene Auswahl an, bzw. im Hinblick auf das, was fehlt: Es fehlt der Fall einer Dozentin an einer Polizeihochschule, die wegen eines kritischen Tweets entlassen werden sollte, es fehlen die rechten Hassbotschaften gegen zwei Lehrer aus dem Spreewald und auch die AfD-Cancel-Attacke gegen die Schüler aus Osnabrück sucht man vergebens. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sich beim Gerede von der „cancel culture“ um nichts anderes handelt als um einen Hoax, der jegliches antifaschistische Engagement von vornherein diskreditieren soll. Insofern hat sich die AfD selbst entlarvt. Danke dafür, AfD.

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